Ackerflur und Wirtschaftsweise


Eine volle deutsche Hufe entspricht im Mittelalter der Fläche, die zur Ernährung einer bäuerlichen Familie ausreicht. In Mecklenburg ist sie zu dieser Zeit mit etwa 20,7 ha bemessen. Eine Hufe teilt sich wahrscheinlich in 32 Morgen auf, die jeweils einem Tagewerk entsprechen. Die wendische Hakenhufe ist kleiner und beträgt etwa ein Viertel der deutschen. Dörfer mit deutschen Hufen werden mit der vollen Landbede besteuert. Zur Hufe als wirtschaftlicher Einheit gehören das Saat- und Ackerland des Bauern, seine Wohn- und Wirtschaftsgebäude, Wiesen sowie Anteile am Dorfgebiet und der Allmende.

Bis in das 19. Jahrhundert hinein ist die Dorffeldmark nach den natürlichen Gegebenheiten in mehrere Feldblöcke - sogenannte Gewanne - eingeteilt, bei der der Besitz der einzelnen Bauern gemeinsam mit dem der Kirche und des Grundherren in zahlreichen kleinen Streifen im Gemenge über die gesamte Dorfflur verteilt liegt. Jeder Bauer besitzt in einem Gewann einen oder mehrere Streifen Land.

Die einzelnen Gewanne - in Mecklenburg werden sie auch als Kamp, Stück oder Feld bezeichnet, sind durch Totholzzäune, Wälle, Wege oder Gräben mit Bewuchs voneinander getrennt. Die verschiedenen Streifen der Bauern in den Gewannen sind gegeneinander mit einer Grenzfurche abgeteilt. Feld- und Wirtschaftswege zwischen den Parzellen der Bauern fehlen fast vollständig. Daher müssen Bestellung, Ernte und Brachenutzung nach zeitlich genau fixierter Abfolge durchgeführt werden. Die Bewirtschaftung ist nur nach vorheriger Absprache in der Dorfgemeinde oder nach Festlegung durch das domaniale Amt möglich. Es besteht der sogenannte Flurzwang. Nur beim Reihendorf erstreckt sich die Feldflur des Bauern in einem einzigen breiten Streifen als abgesonderter Besitz hinter seinem Haus. Die Weiden der Dorffeldmark werden als Allmende von allen Bauern gemeinsam genutzt. Sie liegen oft im Außenacker und werden durch breite Triftwege erschlossen. Auch die Anlage von Wegen, Gräben, Zäunen u.a. erfolgt durch die Dorfgemeinschaft. Auf den alten Flurkarten des 18. Jahrhunderts sind die einzelnen Gewanne oft noch gut an den Grenzgräben oder sie umgebenden Wirtschaftswegen zu erkennen.

Für die Dreifelderwirtschaft muss die Ackerflur in drei oder eine durch drei teilbare Zahl von Gewannen eingeteilt sein. Sie werden mit Brache, Wintergetreide und Sommergetreide in dieser Reihenfolge bewirtschaftet. Der Rest der Feldmark besteht aus Weiden, die in jedem Jahr aufs Neue zur Viehweide genutzt werden. Auch Brüche, Moore und Wiesen, die eigentlich der Heugewinnung dienen, werden als Weideflächen genutzt. Als Wintergetreide wird hauptsächlich Roggen und wenig Winterweizen feldmäßig angebaut. Wichtigste Sommergetreidearten sind Gerste, Hafer und Hirse. Die Brache wird als genossenschaftliche Weide genutzt. Ein Drittel oder die Hälfte der Brache werden manchmal zum Anbau von Linsen, Erbsen, Flachs oder Hanf verwendet. Bis zu den Agrarreformen im 19. Jahrhundert werden im Durchschnitt bei Hafer das Dreifache und bei Roggen und Gerste das Vier- bis Fünffache der Aussaat geerntet. Als Missernte gilt, wenn nur das doppelte Korn eingebracht werden kann. Von der Ernte muss etwa ein Viertel Getreide für die neue Aussaat zurückbehalten werden. Zum Eigenverbrauch benötigt der Bauer meist die Hälfte der eingebrachten Ernte. Bleibt ihm ein Überschuss an Korn, so kann er diesen verkaufen. Einer der größten Kornhandelsplätze in Mecklenburg befindet sich in Waren. Aufkäufer des Getreides sind meist Rostocker und Hamburger Kaufleute, die nach England oder Schweden verschiffen. Auch Preußen ist ein großer Abnehmer mecklenbugischen Getreides - es wird auf dem Landweg dorthin gebracht.

Die Bewirtschaftung des Ackerlandes auf den Gutswirtschaften wandelt sich ab etwa 1700 von der Dreifelderwirtschaft zur Mehrfelderwirtschaft, bei der die Ackerflur anfangs in 12 Schläge, in Mecklenburg später regional verschieden in 7 bis 8 Schläge eingeteilt wird, was den Wechsel zwischen Getreideanbau und Viehaltung ermöglicht und die Futtersituation für das Vieh verbessert. Vorreiter bei der Einführung der Mehrfelderwirtschaft ist Oberlandrat Friedrich von der Lühe im Amt Buckow. Es dauert allerdings eine Weile, bis seinem Beispiel auch andere Gutsbesitzer folgen. Ab etwa 1767 wird auf den mecklenburgischen Gutswirtschaften überall die Mehrfelderwirtschaft eingeführt.

Bei der Umstellung auf Mehrfelderwirtschaft werden durch die Güter die bislang zersplitterten Felder der gelegten Bauern in Gewannflur zu größeren zusammenhängenden Flächen zusammengelegt. Die wenigen in den Gutsdörfern verbliebenen Bauern, meist zwei oder drei gesetzlich geschützte, werden an den Rand der Ackerflur verdrängt. Die neu entstandenen Schläge trennt man in Mecklenburg hauptsächlich durch eine Schlagfurche voneinander ab. Nur im Nordwesten werden sogenannte Knicks angelegt, die meist natürliche Hecken aus Weißdorn, Hainbuchen und Haselsträuchern sind, damit das Vieh auch ohne Hirten auf den Koppeln weiden kann. Darum wird in Mecklenburg diese Wirtschaftsweise nicht wie in Holstein als Koppelwirtschaft sondern als Schlagwirtschaft bezeichnet.

Während sich die Wirtschaftweise auf den Gütern wandelt, bleibt die mittelalterliche Wirtschaftsweise der Bauern nach der Dreifelderwirtschaft in Gewannflur mit dem Hauptanbau von Roggen, Gerste, Hafer und wenig Weizen weiterhin bestehen. Kartoffeln oder Futterpflanzen werden fast noch gar nicht feldmäßig angebaut.

Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts werden im domanialen Teil Mecklenburgs schrittweise Agrarreformen durchgesetzt. Sie beginnen mit der Umwandlung der Frondienste in Geldrenten ab 1790, führen über die Aufhebung der Leibeigenschaft ab 1820, die Einführung von Zeit- und Erbpacht ab 1822 und schließen mit der allgemeinen Vererbpachtung von 1867 ab. Im ritterschaftlichen Bereich vollzieht sich dieser Prozess sehr viel langsamer.

Im 19. Jahrhundert wird für eine bäuerliche Hufe nun das Land berechnet, für das man 100 Scheffel Einsaat benötigt und das 20 Fuder Heu erbringt. Dabei wird angenommen, dass hochwertiger Boden eine größere Menge Einsaat verlangt als minderwertiger. Für guten Boden rechnet man einen Scheffel Einsaat auf 100 Quadratruten Land, für schlechten 200 Quadratruten Land. Ein Fuder Heu wird etwa auf 150 bis 300 Quadratruten Wiese gewonnen. Die Hufengrößen der Domanialbauern im östlichen Mecklenburg liegen im Durchschnitt bei etwa 44 bis 53 ha. Das entspricht 20 bis 24.000 Quadratruten Land. Seit der Kolonisation im frühen Mittelalter hat sich also die bäuerliche Nutzfläche einer Vollhufe in etwa verdoppelt.

Mit Beginn der Hufenseparation und Vererbpachtung ab etwa 1820 wird die alte Einteilung der bäuerlichen Feldmark in Gewanne aufgehoben. Der Bauer erhält durch die Hufenseparation eine zusammenhängende Fläche Ackerland. Dadurch werden der Flurzwang und die Allmendeweide aufgehoben. Die Bauern gehen nun - wie ein Jahrhundert zuvor schon die großen Güter - von der gemeinschaftsgebundenen zur individuellen verbesserten Dreifelderwirtschaft und später zur Mehrfelderwirtschaft über und teilen ihre Ackerflur in sechs bis sieben Schläge ein. Fortan werden drei Schläge zum Kornertrag genutzt, ein Schlag bleibt brach liegen und die restlichen Schläge werden als Weide bewirtschaftet.

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts finden immer mehr Futterpflanzen Eingang in den bäuerlichen Feldbau. So wird anfangs die Brache in der verbesserten Dreifelderwirtschaft zunehmend mit Kartoffeln, Rotklee und Rüben besömmert. Später werden diese Blattfrüchte vollständig in die Fruchtfolge der Mehrfelderwirtschaft aufgenommen. Dadurch verbessert sich die Versorgung des Viehs mit Futter wesentlich. Manche Bauern gehen zur Sommerstallfütterung über und führen das Vieh nicht mehr auf die Weide. Der Boden wird durch den Anbau der eiweißreichen Halmfrüchte und die verbesserte Dungleistung des Viehs immer besser mit Nährstoffen versorgt.