Volkszählungsliste 1819    /6/

Während der ersten großen Volkszählung in Mecklenburg werden Teterows Einwohner vom 6. bis zum 10. August 1819 gezählt. Die Beamten gehen von Haus zu Haus - darum lässt die Reihenfolge der Zählung Rückschlüsse auf benachbarte Familien und den gemeinsamen Wohnort in einzelnen Stadtvierteln zu. Insgesamt wohnen in der Stadt 2.730 Personen. Adam Milhahn war gegen Ende des Jahres 1801 nur sieben Tage nach der Hochzeit seines jüngsten Sohnes im Alter von siebzig Jahren in Teterow verstorben, seine Ehefrau Anna Maria Bünger stirbt vier Jahre später. Jetzt zur Zeit der Volkszählung leben von ihren fünf Kindern noch der Sohn Paul und die beiden Töchter Maria und Elisabeth. Die Söhne Christoph und Friedrich sind bereits verstorben.

Familie Christoph Milhahn

Ackerbürger Christoph Milhahn ist seit neun Jahren verstorben. Im Frühjahr 1810 hatte er sich von einer Brustkrankheit nicht mehr erholt und stirbt an einem Aprilsonntag. Christophs Witwe Maria Petschow bleibt mit vier Kindern zurück. Die drei Töchter Maria, Catharina und Sophia sind beim Tod des Vaters 19, 14 und 10 Jahre alt. Ihr einziger Sohn Gottfried ist erst 16. Jetzt zum Zeitpunkt der Volkszählung lebt die 61jährige Maria Petschow bei keinem ihrer Kinder. Die älteste Tochter ist bereits verheiratet, die beiden jüngeren sind als Dienstmädchen in Stellung, Gottfried arbeitet als Knecht. In Maria Petschows Umgebung wohnen viele Witwen, Arbeitsmänner und Tagelöhner, ihr Haustand wird fast als einer der letzten in der Stadt gezählt, was für eine Lage am Rand des Knickhäger Viertels - vielleicht in der Östlichen Mauerstraße - spricht. Auch von der Familie Petschow lebt jetzt so gut wie niemand mehr in Teterow, fünfzig Jahre zuvor wohnten Friedrich und Wilhelm Petschow aber ebenfalls am Ende des Knickhäger Viertels. Noch 1829 ist Christoph Milhahns Witwe am Leben und wird 71jährig als Patin zur Taufe einer Tochter ihres Sohnes Gottfried gebeten.

Christophs Sohn Gottfried Milhahn ist zur Zeit der Volkszählung 25 Jahre alt und noch unverheiratet. Er arbeitet als Knecht bei Kaufmann Johann Hagemann. Hagemann wohnt mit Sicherheit in der Nähe des Marktes an der Seite, die zum Mühlenviertel führt. Schon das Mahnregister von St. Jürgen von 1758 nennt hier einen Bäckermeister Hagemann, das fünf Jahre später erstellte Einwohnerverzeichnis führt Hagemann ebenfalls in diesem Viertel ganz in der Nähe des Rathauses auf. Nur vier Häuser von ihm entfernt wohnt Erdmann Zillmer, dessen Haus im Reinhardtschen Stadtplan erwähnt wird. Der Gang nach der Mühle hinter Zillmers-Haus bezeichnet ein kurzes Stück Sackgasse, das entlang des Mühlbaches direkt auf den Vorplatz der Mühle führt. Das legt den Schluss nahe, dass die beiden Hagemanns wohl am Rand des Marktplatzes in Richtung der Straß hinter der Kirch nach der Mühle mit Blick auf den Platz hinter der Stadtmühle wohnen. In dieser Gegend der Stadt arbeitet Gottfried Milhahn seit dem frühen Tod seines Vaters bis zur Volljährigkeit als Knecht.

Gottfrieds älteste Schwester Maria Lorentz ist fast 28 Jahre alt und seit etwa sechs Jahren mit dem vier Jahre älteren Tagelöhner Jochim Lorentz aus Köthel verheiratet. Beide bewohnen ein eigenes Haus und haben zwei kleine Söhne und eine Tochter. Der erste Sohn war noch unehelich geboren - erst nach seiner Geburt können beide heiraten. Catharina Milhahn ist die zweite Schwester Gottfrieds. Sie ist 23 Jahre alt, noch unverheiratet und arbeitet als Dienstmädchen bei Paul Hinrich Harder. Auch Gottfrieds jüngste Schwester die 19jährige Sophia Milhahn ist noch unverheiratet und als Dienstmädchen bei Kaufmann Christian Friedrich Bueck beschäftigt. Dieser stammt aus Rostock und lebt seit elf Jahren in Teterow. Zu seiner Familie gehören vier kleine Kinder.

Familie Elisabeth Busack

Elisabeth Busack ist die um ein Jahr jüngere Schwester von Christoph Milhahn und eine Tante Gottfrieds. Sie ist 57 Jahre alt und mit dem Arbeitsmann Johann Heinrich Busack verheiratet. Beide wohnen auf ihrem eigenen Hausgrundstück. Bei ihnen wohnt noch der 19jährige Sohn Johann. Er ist zum Zeitpunkt der Volkszählung Maurerlehrling und einige Jahre später bei Maurermeister Voß in Arbeit. Unmittelbare Nachbarn der Busacks sind beispielsweise Schustermeister Carl Wundermann, Schneidermeister Friedrich Busack - vielleicht der Bruder und Schwager und der Arbeitsmann Johann Schäning. Gottfried Milhahn und seine Tante Elisabeth Busack werden am vorletzten Tag der Volkszählung in Teterow gezählt, sie wohnen allerdings relativ weit voneinander entfernt. Da für Gottfried ziemlich sicher das Mühlenviertel bestimmbar ist, so ist wahrscheinlich, dass seine Tante Elisabeth Busack im angrenzenden Bachviertel wohnt. Schon Gottfrieds Großvater Adam Milhahn und dessen Bekannter Busack wohnten hier 1763. Auch die Familie Schäning wird sowohl 1763 als auch 1819 in direkter Nachbarschaft der Busacks im Bachviertel genannt. Wahrscheinlich liegt das Busacksche Haus nah an der Grenze zum Knickhäger Viertel - möglicherweise am Pferdemarkt, denn am folgenden Tag wird die Zählung in der Pferdemarktstraße fortgesetzt.

Familie Paul Milhahn

Der 48jährige Paul Milhahn ist der einzige Bruder des verstorbenen Christoph Milhahn und Onkel Gottfrieds und seiner drei Schwestern. Er ist fünfzehn Jahre jünger als Christoph und seit fast zwanzig Jahren mit Hanna Kuhlmann verheiratet. Paul ist Ackersmann und besitzt Haus und Hof in Teterow. Paul Milhahn und Hanna Kuhlmann haben zum Zeitpunkt der Volkszählung die fünf Kinder Elisabeth, Carl, Sophia, Paul, Johann Heinrich und Maria im Alter von siebzehn bis zwei Jahren. Johann Heinrich wird wenige Jahre später sterben, ebenso wie die Familie bereits zehn Jahre zuvor einen dreijährigen Sohn an Masern verloren hatte. Drei Jahre nach der Volkszählung wird als letztes Kind aber noch der Sohn Friedrich geboren. In Paul Milhahns direkter Nachbarschaft wohnen der Böttchermeister Friedrich Bluemcke und der Webermeister Georg Friedrich Rohn.

Familie Maria Rohr

Nur zwei Häuser von Paul Milhahn entfernt wohnt auch seine drei Jahre jüngere Schwester und Gottfrieds Tante Maria Rohr. Sie ist fast 43 Jahre alt und mit dem Schneidermeister Joachim Rohr verheiratet. Dieser ist zwanzig Jahre älter als Maria und hatte seine erste Ehefrau am Fleckfieber verloren. Beide sind Eigentümer des Hauses, in dem sie leben. Bei ihnen wohnt noch der 30jährige Sohn aus erster Ehe Johann Rohr. Er ist Ackersmann und noch nicht verheiratet. Die Kinder Maria, Sophia, Elisabeth und Johann sind noch minderjährig und im Alter von zweiundzwanzig bis acht Jahren. Die älteste Tochter Maria arbeitet als Dienstmädchen in der Stadt.

Die recht nah beieinander liegenden Häuser der Familien Paul Milhahn und Joachim Rohr werden erst zu Beginn des letzten Tages der Volkszählung aufgesucht. Auch das Haus, in dem die Witwe Christoph Milhahns Maria Petschow jetzt lebt, wird an diesem Tag besucht. Dieser Umstand ist ein deutliches Zeichen dafür, dass alle drei Familien im gleichen Teterower Stadtviertel wohnen. Mit Sicherheit handelt es sich hierbei um das Knickhäger Viertel. Schon im 1758 erstellten Schuldenregister von St. Jürgen wohnt Joachim Rohrs Vater der Schneider Paul Rohr im Knickhäger Viertel. Weiteres Indiz dafür ist auch ein Streit, der fünfzehn Jahre zuvor zwischen Paul Milhahns und Maria Rohrs Nachbarn dem Bäcker und Ackersmann Samuel Drews und dem Pferdehändler Jacob Hirsch ausbricht. Beide streiten sich um einen Pferdestall, der anderthalb Fuß über die Grenze auf das Grundstück von Samuel Drews hinausreicht. Im Schuldenregister von 1758 wohnt auch Bäcker und Ackersmann Drews im Knickhäger Viertel. Während der Volkszählung leben die beiden streitenden Parteien nur zehn bzw. elf Häuser von Familie Rohr entfernt.

Am deutlichsten weist jedoch eine Anzeige aus der Teterower Zeitung auf den Wohnort der Milhahnschen Familien hin. Drechsler Renzel wirbt in ihr für seinen Handwerksbetrieb und erwähnt, dass er sich bereits seit zehn Generationen in der Hand derselben Familie und im selben Haus in der Pferdemarktstraße 5 befindet. Renzel wohnt während der Volkszählung nur acht Häuser von Paul Milhahn und zehn Häuser von Maria Rohr entfernt.

So liegt der Lebensmittelpunkt der Nachkommen von Adam Milhahn noch immer in den Straßen um den Pferdemarkt, die sich im Norden in das Bachviertel und im Süden in das Knickhäger Viertel erstrecken. Es sind der Pferdemarkt, die Straße nach dem Pferdemarkt, die Gläserstraße - heute Alte Poststraße - , die Kleine Bachstraße und die nördliche und östliche Mauerstraße, die zu dieser Zeit noch Rostocksche Mauerstraße und Mauerstraße nach dem Gartensteig heißen. Das Knickhäger Viertel liegt südlich des Bachviertels und östlich des Malchiner Tores, es ist wahrscheinlich durch die Malchiner Straße, die Mauerstraße nach dem Garten-Steig und die Straße nach dem Pferdemarkt begrenzt. In Verlängerung der Knickhägerstraße, die quer durch das Viertel geht, führt hier aus der Stadtmauer der lange Garten-Steig zu den sogenannten Maricken-Gärten hinaus. Das Bachviertel grenzt nördlich an. Es wird vom Mahlbach durchflossen, der die Stadtmühle antreibt und von der Rostockschen Mauerstraße begrenzt.